Ohne Antoinette

von Ivna Žic

Ein Mann erinnert sich. An das Haus seiner Kindheit, etwas schäbig, aber geräumig. An seine erste Zigarette, an das Schlagzeug, das er zum 16. Geburtstag bekam. Und an einen Freitag vor sieben Jahren, an dem SIE ihm zum ersten Mal begegnet ist. Jetzt ist er allein. Er schläft. Er isst. Vor allem trinkt er. Versucht, sie zu vergessen, und kann doch der Erinnerung an das Leben mit ihr nicht entkommen: Wie sie sich morgens die Haare zusammenbindet, wie sie in der Küche steht, Tee und Kaffee macht, während die Eier schon kochen und sie den Apfel klein schneidet. Wie sie immer alles gleichzeitig macht.

Ein Mann erinnert sich. An das Haus seiner Kindheit, etwas schäbig, aber geräumig. An seine erste Zigarette, daran, dass er sich mit fünf Jahren zum Geburtstag von der Mutter Tulpen gewünscht hat. Er ist lange nicht mehr bei der Mutter gewesen, doch im Herbst kam er zurück, um sie zu pflegen. In dieser Zeit hat sie begonnen, über ihr Leben zu sprechen. Früher, in schwierigen Lebenssituationen, hätte er viele Fragen gehabt, über ihre Beziehungen, ihr Verhältnis zu Männern. Doch damals hat sie nur gekocht und geschwiegen. Auch kurz vor dem Ende hat sie ihm vielleicht nicht alles gesagt, hat Dinge zurechtgerückt oder erfunden, denkt er. Und ahnt, dass irgendwo zwischen dem Erzählten und den Tatsachen, die ohne Worte bleiben, das Leben liegt.

Historie des Stücks

  • Theater Winkelwiese Kellertheater Winterthur Uraufführung in Zusammenarbeit mit Trainingslager Regie: Antje Thoms und Ivna Žic 2014