Muttertier

von Leonie Lorena Wyss

Ganz kurz nur der Moment, in dem das Leben nach wilder Freude schmeckt. Und schon wieder weg, die Mutter. Verschwunden im Schlafzimmer. Die Kinder essen währenddessen Fischstäbchen und saugen sich voll mit Titanic, saugen jedes Wort, jedes Glück und auch die Katastrophe in sich auf, saugen sich voll mit Rose, die so schön rothaarig wie die Mutter, saugen und spielen und fürchten doch insgeheim, Eisberge zu sein, an denen die Mutter zu zerschellen droht.

Leonie Lorena Wyss beschreibt mit großer Sensibilität, wie unterschiedlich Kinder mit der psychischen Erkrankung ihrer Mutter umgehen. Während der große Eisberg die Mutterrolle übernimmt und der mittlere im stummen Wüten sich selbst verletzt, geht der kleinste Eisberg emotional auf Distanz: Die Mutter hinter der Tür wird zum schnaufenden Muttertier. Mit zärtlicher Wucht und poetischer Präzision wird in diesem Stück aufgefächert, wie die Geschwister spielend dem schwierigen Alltag entfliehen und sich gleichzeitig auf einen drohenden Untergang vorbereiten. Kein Moment so schön wie der, in dem die Mutter mitspielt: Mit ausgebreiteten Armen am Bug stehend, den Wind im Gesicht und die Gischt, und über ihnen der pinke Himmel mit seinem ach so flüchtigen Versprechen eines Happy Ends. 

Ausgezeichnet mit dem Retzhofer Dramapreis 2023 unter dem Titel wie von mutterhand 

Historie des Stücks