Lasst euch überraschen!

von Sibylle Berg

Weihnachten, das Fest der Familienzwangszusammenführung. Voll böser Ahnungen warten die Eltern – Alt-68er, Akademiker und bis heute Gegner des «Systems» – auf den jährlichen Besuch ihrer missratenen Brut. Die Tochter, Marie, ist PR-Agentin und verheiratet mit Fred, einem Lektor. Lukas, der Sohn, arbeitet als Kurator und lebt zusammen mit Lena, Art-Direktorin bei einem grossen Nachrichtenmagazin und momentan hochschwanger. An welchem Punkt hat die progressive Erziehung bloss versagt, dass aus den Kindern keine kiffenden Revolutionäre, sondern karrieregeile Spiesser werden konnten? Umgekehrt ist den Kindern das Sozialdemokratentum und die Bildungshuberei der Eltern seit langem quälend peinlich. Nach Hause führen sie nur noch materielle Interessen: Marie und Lukas möchten die Familienvilla erben und sähen Vater und Mutter gern in einem schönen Pflegeheim. Keine guten Voraussetzungen für einen harmonischen Heiligabend. Die gewohnten Rituale wie Baumschmücken und Bescherung werden zwar stur durchgezogen, doch hinter der Fassade tobt ein Grabenkrieg jeder gegen jeden. Unangenehme Wahrheiten werden ausgepackt, und dass plötzlich die uneheliche schwarze Tochter des Vaters auftaucht, von der angeblich nicht einmal er selbst wusste, ist noch lange nicht das Ende.

Mit Lasst euch überraschen! seziert Sibylle Berg genüsslich die Mechanismen klassischer Boulevardkomödien, samt abgrundtiefer Logiklöcher und hanebüchener Klischees, und entstellt sie bis zur Kenntlichkeit.

(Rowohlt Theater Verlag)

Historie des Stücks

  • Theater Bonn Uraufführung Regie Maaike van Langen 2010