Der Bus

von Lukas Bärfuss

Erika ist in den falschen Bus gestiegen. Eine Pilgerfahrt sollte sie nach Tschenstochau führen, das Licht in ihren Heimatort zu bringen. Der nämlich wird nur noch vom bläulich flackernden Schein der Fernseher erhellt. Nun fährt sie nicht gen Osten zur schwarzen Madonna, sondern zu einem Kurhotel in lichte Höhen. Als sie den Irrtum bemerkt, ist es zu spät. Man befindet sich bereits im nächtlichen Gebirge und Hermann, der Fahrer des Busses, hat es eilig. Einzig eine vereinsamte Tankstelle liegt noch auf dem dunklen Weg; spätestens dort will er die junge Frau ohne Fahrschein loswerden. Doch auch hier will man sie nicht. Es scheint, als bliebe Erika nichts anderes übrig, als sich der Reisegruppe anzuschliessen und auf die baldige Rückfahrt des Busses zu hoffen - die aber ist nicht geplant.

Wie eine wankende Arche, besetzt mit den des Lebens Müden, schleppt ein Reisebus eine verschworene Gemeinschaft der Erlösung entgegen in die Höhen der Serpentinen. Mit Hermann - in seiner Entschlossenheit bereits seltsam dem Leben entrückt - am Steuer, getrieben von dem nahenden Morgen und den Klagen der Elenden in den hinteren Reihen, schlingert der Bus wie ein komatöser Todesengel seiner letzten Fahrt entgegen - und Erika begreift, dass nicht zu Füssen der schwarzen Madonna, sondern hier all ihr Glaube gefragt sein wird.

Ausgezeichnet mit dem Mülheimer Dramatikerpreis (2005)

Historie des Stücks

  • Thalia Theater, Hamburg Uraufführung Regie: Stephan Kimmig 2005