Sprung in der Schüssel

von Paul Steinmann

Vera, wo bist du? Was passiert, wenn jemand zum Mängelexemplar wird? Was in der Familie, was in der Beziehung und was im Beruf? Klug und ideenreich inszeniert wagt sich das Stück Sprung in der Schüssel daran, diese Fragen laut vorzudenken. Vera will zwar noch, kann aber nicht mehr. Der Riss kommt langsam. Zuerst sind es nur kurze Anfälle - Auszeiten -, in denen sie sich wegdenkt aus ihrem angelebten System. Dann wird der Sprung immer grösser, die Pausen immer länger, die Abwesenheit an ihrem Arbeitsort immer häufiger. Dabei ist Vera schön, arbeitet in einer Kanzlei, lebt in einer anständig funktionierenden Beziehung und hat eine Tochter. Plötzlich ist Vera weg, nicht nur geistig, sondern hinter den Mauern der Psychiatrie. Natürlich ist Sprung in der Schüssel am Ende ein Plädoyer für mehr Toleranz gegenüber psychisch Beeinträchtigen, vergisst dabei aber nicht, auch die schwierigen Positionen der Arbeitgeber, des Lebenspartners und des gesamten Umfelds zu beleuchten.

«Die besondere Stärke von Sprung in der Schüssel liegt in den dessen Authentizität. Jene wird möglich, weil sich psychisch beeinträchtigte Menschen zum Verein Die Dachschadendecker zusammengefunden haben und ihre eigenen Lebensgeschichten und Lebenserfahrungen als Grundmaterialien in dieses Theater einfliessen liessen. Ein wichtiges, aktuelles Stück Gegenwartstheater.»
13.11.2010, St. Galler Tagblatt AG, Michael Hasler