PENTHEUS

In einer prophetischen Radioansprache von 1947 («Schluss mit dem Gottesgericht») forderte Antonin Artaud die Freigabe aller Drogen. Er war sich sicher, dass die US-Amerikaner einst mit Panzern und Raketen in Afghanistan einmarschieren würden, um den purpurnen Geist des Wahns zu zähmen und das Heroin zu verfälschen. 2001 war es soweit: Die globale technisierte Polis drückt mit allen Mitteln in die Berge von Afghanistan, wo die Überschüsse der zivilisierten Welt in Form von Raketen und Bomben entladen werden. Das Theaterstück Pentheus ist die spekulative Überschreibung der nicht überlieferten gleichnamigen Tragödie des Aischylos. Darin werden die Ereignisse um die Schlacht von Tora Bora in Afghanistan im Jahre 2001 mit dem Mythologem des Dionysos kurzgeschlossen, zumal sich in beiden Szenarien eine technisierte Staatsgewalt dazu entschliesst, von der Stadt in die Berge aufzubrechen, um die unterhalb des Rationalen wirkenden archaischen Energien des Dionysischen zu bekämpfen. Afghanistan bzw. Baktrien ist der Herkunftsort von Dionysos und der grösste Opiumproduzent der Welt. Diese Region mit den durchlässig und unkontrollierbaren Grenzen fungierte immer wieder als energetisches Abflussrohr der Geopolitik. Diesbezüglich ist Landschaft in diesem Stück nicht länger einfach die Bühne des Geschehens, stattdessen wird sie selbst Akteurin und tritt als kontagiöser Virus aus dem Hintergrund. Die Drohnen sind die Engel aus der Zukunft und die vergessenen Minen die Auslöser einer neuen disiecta membra, Tora Bora und der Kithairon topologisch äquivalent, der Acker des Mohns die terrestrische Gewährleistung für veränderte Bewusstseinszustände. Das Ich löst sich auf in den ältesten Schichten. Mit Ausnahme der Chorpartien ist der Text durchgängig in jambischen Trimetern geschrieben.