Die Lasterhaften

von Franz Hohler

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«Die Lasterhaften handelt auf zwei Ebenen, die sich erst am Schluss vereinigen: Ah und Beh, zwei distinguierte, sich symetrisch bewegende Geschäftsleute in dunkeln Haarnadelanzügen, agieren auf erhöhten Gitterplattformen, während die farbig gekleideten Herren Stahl, Tuch und Korn in knöcheltiefen Putzfäden waten (Bühnenbild Christian Scheifele). Abwechslungsweise werden je zwölf kurze Szenen gespielt, in deren Verlauf die Herren Stahl, Tuch und Korn einander näherkommen und sich gegenseitig ihre Laster enthüllen. Der eine ist dem Metall, der andere dem Brot und der dritte Vorhängen verfallen. Bedingungslos frönen sie ihren Leidenschaften - man stelle sich nur einmal die Wohnung eines Brotbesessenen vor: Woraus wohl der Teppich oder das Bett besteht?» 

(Tibor de Viragh in der Zürichsee-Zeitung vom 17. März 1981)

«Eine völlig andere Art von Theater

In einer Stadt, die Sie wahrscheinlich nicht kennen, spielt man auf eine völlig andere Art Theater, als wir das gewohnt sind.

Die Bewohner dieser Stadt sind richtig theaterverrückt und verehren ihre grossen Schauspieler über die Massen, aber wenn man als Fremder eine Aufführung besucht, ist man etwas ratlos, denn es wird hier gar nicht besser gespielt als anderswo, und die berühmten Namen, von denen man gehört hat, sucht man im Programmheft vergebens.

Aber, würde uns der einheimische Theaterkenner sagen, haben Sie die Frau an der Kasse gesehen? Das war die grosse Borowna. In den Stücken werden die Zuschauer immer dann aufmerksam, wenn Statisten auftreten, denn meistens hat es unter einem Soldatenchor oder einer Wache einen ganz berühmten Schauspieler, der kein Wort sagt, aber dafür durch die vollendete Beiläufigkeit seiner Bewegungen Bewunderung erregt.

Bei uns fangen unbekannte Schauspieler mit kleinen Rollen an, und wenn sie bekannt werden, gibt man ihnen grössere. Dort ist es umgekehrt. Grosse Rollen spielen nur Anfänger. Die guten Schauspieler sehen ihre Kunst darin, in immer kleineren Rollen aufzutreten, und als grosser Schauspieler gilt man erst dann, wenn man nicht mehr im Verzeichnis der Darsteller aufgeführt wird. Es kann einem passieren, dass man in der Toilette neben einen Herrn zu stehen kommt, der sich auf eine Art kämmt, die sich einem sofort einprägt, und hinterher er fährt man, dass das der berühmte Longstraal war. Wirklich grosse Schauspieler können es sich sogar leisten, nur auf einer Familienfoto vorzukommen, die im dritten Akt an der Wand hängt.

Vielleicht noch ein Hinweis: Wenn Sie einen dieser Schauspieler zutiefst beleidigen wollen, müssen Sie ihm sagen, Sie möchten ihn gern als Hamlet sehen.»

(Text von Franz Hohler aus dem Programmheft)

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«Franz Hohler hat mit den Lasterhaften eine äusserst amüsante und witzige Szenenfolge geschrieben, die kaum irgendwo einbricht. Und Regie und Schauspieler haben in seinem Sinn mit dem Text gespielt, ohne dass der Autor nach jeder Zeile eine Regieanweisung beifügt oder täglich in den Proben sitzt: Ich habe Franz Hohler an der Premiere jedenfalls herzhaft lachen sehen.»

(Peter Schwar im Tagesanzeiger 17. März 1981)

Historie des Stücks

  • Theater Winkelwiese Uraufführung Regie Margot Gödrös, Walter Hess 1981