Ein Feld, unscheinbar, wie jedes andere, bepflanzt breitet es sich aus, ein Feld begrenzt von anderen Feldern. Einst saßen viele Menschen auf diesem Feld, kurz nach einem Weltkrieg, kurz nach einer Grenze und warteten. Warteten, um nicht in die eigene Heimat zurückgeschickt zu werden. Doch nach dem Warten kam die Umkehr: Es ging nicht vorwärts, sondern zurück. Manches blieb zurück. Das Feld ein Zwischenraum – zwischen zwei Ländern, zwei Sprachen, zwei Systemen, zwischen Krieg und Frieden, zwischen zwei Zeiten, eine hatte noch nicht geendet und die andere noch nicht begonnen.
Trotz jahrzehntelanger Tabuisierung hat sich das Feld von Bleiburg tief ins Zentrum des kollektiven Gedächtnisses der Völker Jugoslawiens eingeschrieben. Wie kaum ein anderes Ereignis der jüngeren europäischen Geschichte wurden die Begebenheiten, die dort im Mai 1945 stattgefunden haben, allerdings in widersprüchlicher Weise gelesen, erzählt & neu-erzählt, überschrieben, vereinnahmt und politisch instrumentalisiert. Der Ausgangspunkt liegt im Frühjahr 1941, als Hitler den Befehl zum Einmarsch in Jugoslawien gab. Nach der Kapitulation der Armee wurde das Land mit Ausnahme von Kroatien und Bosnien unter mehreren Alliierten aufgeteilt. In Kroatien gründete sich, von den Nazis protegiert, der faschistische »Unabhängige Staat Kroatien«, geführt von der Ustascha-Miliz. Als kurz vor Kriegsende die vom späteren sozialistischen Staatschef Tito befehligte »Jugoslawische Volksbefreiungsarmee« bis kurz vor Zagreb vordrang, entschieden sich die kroatischen Militärs Anfang Mai 1945 zur Kapitulation. Allerdings wollten sie sich nicht der jugoslawischen Armee sondern den britischen Truppen hinter der slowenisch-österreichischen Grenze ergeben. Ein gigantischer Tross kroatischer Soldaten und vieler Zivilisten, die nicht unter dem sozialistischen Regime Titos leben wollten, setzte sich nach Kärnten in Bewegung, bis sie auf dem Feld bei Bleiburg eintrafen. Die Bedingungen der Kapitulation galt es zu verhandeln, doch nach Tagen der Gespräche akzeptierten die Briten nicht und die Wartenden mussten doch vor der »Jugoslawischen Volksbefreiungsarmee« die Waffen strecken. Gezwungen zum Rückzug in das neue Jugoslawien ließen sie alles zurück: Gewehre, Munition, Uniformen, sogar eine Schreibmaschine, alles blieb auf dem Feld liegen. Titos Armee schaufelte nur notdürftig Erdreich über das Kriegsmaterial und trieb die Menschen zurück ins Landesinnere, um ihnen dort ihre Prozesse zu machen. Was nun folgte, wird je nach Blickwinkel verschwiegen oder gefeiert, als Todesmarsch oder Kreuzzug bezeichnet. Viele der Kroaten verloren auf dem Weg ihr Leben, während sich über das frisch mit Erde gedeckte Feld im Kärntner Grenzland für lange Zeit das Schweigen legte.
Während die Erinnerung an die Gräuel des Zweiten Weltkriegs in ganz Europa zum wichtigsten Pfeiler eines gemeinsamen Friedensnarrativs der neuen Europäischen Union werden sollte, instrumentalisierte Jugoslawien die Kapitulation der faschistischen Ustascha als Gründungsmythos eines supranationalen Vielvölkerstaats. In Kroatien hingegen steht Bleiburg als nationale Schmach für die Verbrechen des Kommunismus. Während in den scheinbar harmonischen Jahrzehnten des Tito-Jugoslawiens die Geschehnisse auf jenem Feld bewusst verdrängt wurden, schob sich Bleiburg nach dessen Auseinanderbrechen wieder ins kollektive und mediale Bewusstsein. Es hat sich zu einer quasi-religiösen Pilgerstätte des Nationalismus entwickelt, an der bis heute die Waffen im Boden vergraben liegen. (Schauspielhaus Wien)