ine literarhistorische Kuriosität: zwei französische Dramatiker, Corneille und Racine, schreiben zur Zeit Ludwig XIV. parallel an demselben Stoff: Bérénice. Selbst die Uraufführung beider Stücke findet im Abstand von wenigen Tagen statt. Das Thema ist bei beiden das gleiche: wie sind Vernunft und Leidenschaft in Einklang zu bringen?
Der über sechzigjährige Corneille ist mit seinem Stück nicht erfolgreich, glaubt er doch - noch ganz Rationalist - an die Fähigkeit des Menschen, seine Leidenschaften zugunsten höherer ethischer Vernunft-Prinzipien im Zaum halten zu können. Racine aber ist das Sprachrohr der Generation der Dreißigjährigen: wesentlich skeptischer (und realistischer) schildert er, wie der Mensch zum Spielball seiner Leidenschaften werden kann, und ringt - hierin dann doch klassisch - darum, dass er diesen Kampf nicht verliert, fragt aber auch nach den Kosten des Verzichts.
Wie konnte es dazu kommen, dass beide gleichzeitig das gleiche Stück schrieben? Es gibt Mutmaßungen, dass beide - ohne voneinander zu wissen - von der Herzogin von Orléans beauftragt wurden. Was aber wäre, wenn die Herzogin den knapp fünfzigjährigen Komödianten Molière, ebenfalls ein Zeitgenosse, zeitgleich auch noch mit Aufträgen versehen hätte?
Eine Geschichte um eine Frau und um drei Männer, drei Autoren: einen intelligenten Aufklärer, einen romantischen Tragiker und einen skeptischen Komödianten...
Eine Bérénice de Molière, die allerdings nie geschrieben wurde. (Ankündigung des Burgtheater Wien)