20.6.2023

Simon Froehling, Joël László

Im Dialog: Simon Froehling & Joël László
Laszlo_Froehling_Literaturtage

Im Rahmen der Solothurner Literaturtage unterhielten sich die beiden Autoren und Übersetzer (und DRAMENPROZESSOR-Absolventen) Simon Froehling und Joël László über das Übersetzen von Theatertexten. Moderiert wurde das Gespräch von Lydia Dimitrow (Dramaturgin, Autorin und Übersetzerin).

Die Wege, wie Stücke zu uns Übersetzer*innen kommen, sind ganz unterschiedlich. Der klassische Weg wäre, dass ein Theaterverlag ein fremdsprachiges Stück entdeckt und es für die deutschsprachige Szene interessant findet. Dann lässt der es übersetzen und bietet es Theatern und Dramaturg*innen an. Ein anderer Weg ist, dass Regisseur*innen, Dramaturg*innen selbst einen Theatertext entdecken, den sie umsetzen wollen und eben schon mit der Perspektive der Produktion auf einen zukommen. Wie ist das bei Euch? Welche Akteur*innen kommen auf Euch zu? Sind das Verlage? Theater? Regisseur:innen?

Froehling: Bei mir lief Vieles über persönliche Kontakte und Netzwerke. Ich bin Autor und habe früher selbst viel Theater geschrieben. Und ich bin englischsprachig aufgewachsen.

Beim letzten Stück war es beispielsweise der Dramaturg. Generell habe ich oft Texte für einen bestimmten Anlass übersetzt, meist für Festivals.

László: Auch bei mir läuft das meiste über Beziehungen und Netzwerke; über Leute, die ich als Autor kennengelernt habe, die wissen, dass es einen gibt. Arabisch und Ungarisch sind auch eher Nischensprachen, da gibt es weniger Akteur*innen. Und plötzlich klingelt dann das Telefon.

Ich bin oft schon ab den Eingaben dabei. Dort stösst man den Prozess gemeinsam an und budgetiert entsprechend.

Wenn der Anlass wie bei dir, Simon, schon klar ist, beeinflusst dich das in deinem Prozess des Übersetzens?

Froehling: Gerade in der Schweiz versucht man beispielsweise oft, die Stückfassung auch ein bisschen regional zu verankern. An Festivals hatte ich oft die Möglichkeit mit den Autor*innen an diesen Übersetzungen und Übertragungen zu arbeiten. Wenn es daneben einen Deutschen Verlag gibt, erstellt man parallel dazu noch eine Verlagsfassung, die dann auch herumgeschickt wird, in der Hoffnung, dass das Stück in der Übersetzung dann auch wiederaufgenommen wird; was sehr, sehr selten passiert.

Wenn eine eurer Stückübersetzungen zur Aufführung kam, welche Erfahrungen habt ihr da bisher gemacht? Wie lief die Zusammenarbeit zwischen Euch und dem Theater bzw. dem Regieteam ab?

László: In Sachen Übersetzungen habe ich bisher vor allem in freien Kontexten gearbeitet, mit Teams, die gewählt haben, dass man zusammen etwas macht. Stadttheater kenne ich eher als Autor. Da ist die Hierarchie einfach prägend, das kann schwierig werden für Autor*innen. Solche Erfahrungen habe ich auch schon gemacht. Aber in Sachen Übersetzungen waren das immer gute Zusammenarbeiten.

Was hat dann für dich so ein gutes Zusammenarbeiten ausgemacht? An welchen Stellschrauben seid ihr zusammengekommen?

László: Wie so oft beim Übersetzen spricht man als «kleiner Übersetzer» neben dem*der «grossen Autor*in» immer so ein bisschen mit einer Comicstimme – auch für den Text. Ich bin bei diesen Produktionen den Text immer durchgegangen, wie wenn ich der Autor wäre und wurde dementsprechend auch abgefragt.

Zusammen mit den Schauspieler*innen?

László: Eher vor den Proben und mit der Leitung oder der Dramaturgie. Da wird nochmal gefeilt – natürlich immer mit dem Originaltext im Hinterkopf und mit dem Bewusstsein, dass man nichts komplett umwerfen kann. Das ist für mich als Übersetzer genauso wie als Autor immer eine schöne Erfahrung: da wird nochmal gearbeitet und man fällt auf seine eigenen Unzulänglichkeiten zurück.

Warst du auch bei Proben schon mal dabei? Oder wann ist der Moment, in dem du den Text loslässt?

László: Als Übersetzer war ich in den Proben noch dabei, aber dann habe ich schon losgelassen. Als schreibende Person kann ich da aber viel lernen, wie der Text in den Mund kommt. Das Medium des Theaters ist der Körper einer schauspielenden Person, nicht das Papier. Es ist in den Stimmbändern, in der Bewegung. Das zu beobachten find ich immer spannend und ich überlege gerne, wie genau diese Unterschiede funktionieren.

Froehling: Da habe ich leider ein bisschen schlechtere Erfahrungen gemacht beziehungsweise einfach oft das Gefühl, dass man den*die Autor*in oder eben den*die Übersetzer*in nicht gerne dabei hat im Prozess. Bei meiner letzten Produktion war ich zwar an der Leseprobe dabei, aber der nächste Kontakt mit der Regie war dann erst eine Woche vor Probenbeginn. «Ou, ich hatte plötzlich keine Zeit mehr. Ich hab jetzt meine Fassung gemacht, du kannst noch schnell drauf schauen, wenn du magst.» Was hochgradig problematisch ist, weil da auch mein drüber Name steht. In diesem Fall haben wir uns darauf geeinigt, dass es hiess «übersetzt von» plus «in einer Bearbeitung von»…

Was heisst das, die Regie hat eine Fassung gemacht? Was wahrscheinlich viele kennen, ist die sogenannte Strichfassung: Viele dramatische Texten werden nicht in ihrer Gänze aufgeführt, sondern Sätze, Passagen werden gestrichen. Geht das in diese Richtung, oder geht die Regie/Dramaturgie mit den Spieler*innen auch an das sprachliche Material, das du geliefert hast?

Froehling: Beides, was auch ok ist. Ich wäre dann einfach gerne eine dieser Parteien.

Wenn ihr übersetzt, wie sehr stellt ihr euch vor, wie das Stück auf der Bühne aussehen kann? Habt ihr Bilder im Kopf? Oder gar nicht?

Froehling: Ich stelle mir das schon vor, ja. Vielleicht sogar realistischer, d.h. ohne die Bühne.

László: Da gibt es ein inneres Bild, wie beim Rezipieren von literarischen Texten. Etwas Präzises; wenn man es aber beschreiben will, braucht man einen Tag, um zu sagen, was man eigentlich sagen will.

Richtig zum Leben erwacht das Stück erst in der Inszenierung. Erst dann wird es einem Publikum zugänglich – ein grosser Unterschied zur Romanübersetzung. Gabs da auch schon mal Diskrepanzen zwischen dem, was ihr im Ausgangstext gesehen habt, was eure Vision des Textes war, und dem, was ihr auf der Bühne wiedergefunden habt?

László: Das ist ein schöner Prozess, dass man lernt loszulassen – auch als Autoren. Im Guten abzugeben und sich auch mal von Dingen überraschen zu lassen, die man anders gemacht hätte, das passiert sowieso. Da entstehen unterschiedliche Sachen und das ist auch das Schöne am Theater, dass das ein gemeinsamer Prozess ist…

Froehling: …sein sollte. Wobei ich es grundsätzlich einfacher finde, eine Übersetzung loszulassen, als ein eigenes Stück.

Wenn wir eine Art «Wünsch dir was» inszenieren: Wie sähe für Euch die ideale Zusammenarbeit aus mit einer Produktion? Was sind die Punkte, an denen ihr gerne dabei wärt?

Froehling: Angefangen sicher mit einem Vorbereitungstreffen, um schon mal die Vision der Produktion für das Stück zu hören. Dann würde man sich idealerweise über den Anfang austauschen. Dann ist die Leseprobe immer wichtig für mich, d.h. die Probe am Tisch, wo man den Text ein oder zwei Mal liest. Das ist für mich das erste Mal, dass ich diese Verkörperung zumindest andeutungsweise erlebe – natürlich sitzen alle und es wird auch nur gelesen und noch nicht gespielt. Aber ich höre, wie das alles klingt. Und dann bin ich gerne beratend im Prozess und bei der Aneignung für die Bühne dabei. Und dann an der Premierenfeier. Ich fände es schön, man würde uns Übersetzer*innen als Ressource betrachten im ganzen Prozess.

Das heisst, ihr seht das Theaterübersetzen in der Idealform als kollektiven Prozess.

Froehling: Das Theater an sich sollte ein kollektiver Prozess sein. Aber gerade an den Stadttheatern gibt es – aufgrund dessen, wie es gewachsen ist – noch immer sehr starre Hierarchien. Gegen aussen mag das, auch dank den Stoffen, die auf die Bühne kommen, anders aussehen. Intern ist das oft eine andere Geschichte.

Im deutschsprachigen Raum gibt es zwei Theatersysteme, die nebeneinander, zusammen, aber doch auch getrennt voneinander existieren. Einmal das Staatstheatersystem, einmal die freie Szene. Im französischsprachigen Teil der Schweiz ist die ganze Theaterszene sehr viel mehr aufgebaut wie in Frankreich, nicht mit Staatstheatern, sondern eher vergleichbar mit der freien Szene – mit freien Gruppen, allerdings an durchaus grossen Häusern.

Froehling: …und im englischsprachigen Raum ist es nochmal anders: Da ist das Theater ein Autor*innentheater, kein Regietheater.

Im deutschsprachigen Raum werden Theaterstücke auch meist nicht gedruckt, das ist beispielsweise im französischsprachigen Raum anders, da gibt es manche Verlage, die Stücke drucken. Wie gross ist der Röstigraben im Theater?

Froehling: Ich empfinde den als riesig; ich weiss nichts über Theater aus der Romandie. Ich arbeite aber mittlerweile – vielleicht aus genannten Gründen – im Tanz. Und da ist er sehr klein, der Graben. Dort funktioniert der Austausch. Aber da fällt die Sprache natürlich meistens weg.

Ihr schreibt beide auch Stücke. Wie beeinflusst euer eigenes Schreiben euer Übersetzen?

László: Ich würds eher umgekehrt sehen – wie beeinflusst das Übersetzen das eigene Schreiben? Übersetzen bringt immer wieder tolle Erfahrungen mit sich, weil man an Orte geht, die man im eigenen Temperament eigentlich nicht hat. Und Dinge entdeckt, die man selber nicht schreiben würde. Man geht an Grenzen, führt Telefonate über banale Sachen – beispielsweise wie ganz banale Dinge auf hochdeutsch heissen, weil ich sie nur auf Schweizerdeutsch benennen kann: Bääseli und Schüüfeli und so Zeugs – aber auch poetologische Dinge. Es ist auch immer wieder etwas Schönes, einen Text durchzuarbeiten und in der Übersetzung die Dramaturgie nochmal mitzubauen, zu spüren, wie die Gewichte sich aufbauen, wie was zusammenhängt.

Froehling: Ich bin gleicher Meinung. Beim Übersetzen lerne ich über das Schreiben – mehr als beim Lesen. Es ist ein Lernen im Tun. Ich habe beispielsweise nie selber auf Schweizerdeutsch geschrieben, aber als ich angefragt wurde, ein Jugendstück ins Schweizerdeutsche zu übersetzen, hat mir das Spass gemacht. Danach habe ich angefangen, kleinere Texte auf Schweizerdeutsch zu schreiben.

Simon, du übersetzt auch ins Englische. Kannst du dir auch vorstellen, auf Englisch zu schreiben?

Froehling: Ein Original gibt einen Ton vor, den ich übertragen darf. Bisher habe ich bezüglich Englisch noch Hemmungen, dass ich keinen eigenen Ton finde in dieser Sprache. Aber vielleicht ändert sich das ja noch.

Auszug aus dem Gespräch vom 20.5.2023 im Rahmen der Solothurner Literaturtage. Das ganze Gespräch können Sie hier nachhören, u.a. gibt Joël László noch Einblicke in seine Arbeit an der deutschen Übersetzung von Eisbombe, was 2020 pandemiebedingt als Stream-on-demand an der Winkelwiese gezeigt wurde und Simon Froehling spricht über seine Arbeit an «Götter von Silicon Valley».

Stück