22.9.2022

Matto Kämpf, Philine Erni

«Das Beste ist klug und lustig. Und: nur lustig reicht auch.»
Matto Kaempf NHM 2

Lieber Matto. Deine Biographie beginnt mit «Matto Kämpf (*1970 geboren in Thun) lebt als Autor und Spassvogel in Bern.» Ist der «Spassvogel» von dir oder ist das Verlagstext?

Das ist von mir.

War das ein bewusster Entscheid, beziehungsweise wer oder was hat dich beeinflusst, die Sparte «Humor» zu wählen?

Ich habe mit Schultheater angefangen und eine Theatergruppe gegründet – ohne Lehrer*in. Damals wollten wir einfach irgendwie Theater machen und haben sehr ernsthaft Frisch und Dürrenmatt gespielt. Auch später, als wir etwa 20 Jahre alt waren, spielten wir – immer noch sehr seriös und existenziell – Student*innentheater: zum Beispiel das selbstentwickelte Stück Das Ende der Welt. Untermalt mit ganz viel Cello. Musikalisch sicher beeinflusst von Lou Reed, Einstürzende Neubauten usw.

Aber irgendwann habe ich mich zurück besonnen auf das, was mir am meisten Freude gebracht hatte im Leben: Monty Python. Ich hatte einfach lange nicht in Betracht gezogen, so zu schreiben. Weil ich dachte, Kunst müsse seriös sein. So ist man halt drauf, mit 20.

Und dann habe ich versucht, mich dahin zu entwickeln.

Wann hast du das erste Mal bemerkt, dass es funktioniert?

Bereits im Student*innentheater: Damals habe ich noch nicht geschrieben, sondern die ersten Stück von Gerhard Meister – der auch einmal im DRAMENPROZESSOR war –inszeniert: über eine Familie, die zusammen Weihnachten feiert. Damals waren wir so Mitte 20, das hat viel Spass gemacht.

Ab dann galt für mich der Grundsatz: Das Beste ist klug und lustig. Und: nur lustig reicht auch. Oder ist zumindest besser als einfach nur ernst. Aber mein Ziel ist immer klug und lustig.

Und wie reagierst du, wenn niemand lacht?

Das erlebe ich fast wöchentlich. Humor ist Geschmackssache und ich habe einen eher spezifischen Humor. Ich trete oft auf an Festen und jemand, der*die Geburtstag oder eingeladen hat, findet meine Sachen wahnsinnig lustig; aber die Verwandtschaft vielleicht nicht. Dann bin ich das lustige Tierchen, das seine Nummer macht.

Wenn ich alleine auftrete und die Leute kommen wegen mir, dann funktioniert es meistens. Da fühl ich mich sicher, denn die wissen, warum sie kommen.

Du schreibst auch fürs Fernsehen. Live kannst du nachjustieren und reagieren, auf das, was im Publikum passiert. Ändert sich dein Schreibprozess, beispielsweise für ein Format wie Schneuwly?

Schneuwly ist alles improvisiert, da gibt’s keine Zeile. Wir reden da «unscripted» und recht wild durcheinander und nach einer Stunde passiert dann vielleicht etwas, was so nie geschrieben worden wäre. Das braucht Geduld und sicher zwei Stunden Paartherapie mit einem*r echten Paartherapeut*in, um daraus zwei lustige Minuten zu bekommen.

Das ist ein stundenlanger und sehr langweiliger Dreh. Der Humor entsteht eigentlich erst im Schnitt.

Ansonsten habe ich für Michael Elsener geschrieben: Da war alles genau getaktet auf drei Minuten und wird humortechnisch abgenommen; denn es muss dem Sonntag nach Tatort entsprechen.

2004/05 warst auch du mal im Autor*innenförderprogramm DRAMENPROZESSOR. Woran erinnerst du dich? Was hat es dir gebracht?

Wir waren zu viert: «Matto and the Dramaqueens» – so heisst unsere WhatsApp-Gruppe – Viola Rohner, Nicolette Kretz, Lisa Stadler und ich. Seit bald 20 Jahren essen wir einmal im Jahr Fondue.

Für mich ein Highlight war es, dass Mark Ravenhill, der zusammen mit Sarah Cain Shopping and Fucking geschrieben hat, da war. Das waren damals Hits.

Ansonsten war ich sicher auf einem anderen Dampfer als Erik Altdorfer und Stephan Roppel, aber es war eine gute Zeit und gab mir interessante Einblicke in neue Dramatik.

Woran erinnerst du dich aus deinem Stück Nordpol?

Ich erinnere mich nur noch vage. Eine Nordpol-Expedition und es wird immer schlimmer. Zuerst sinkt das Schiff, dann treiben sie auf einer Scholle, dann wird die Scholle von einem Wal verschluckt. Bei der Live-Präsentation in der Winkelwiese rollte ich als Robbe über die Bühne, in ein Fell gewickelt.

Ist Humor komplizierter geworden in Zeiten der Identitätspolitik und der emotionalisierten Diskurse? Hast du Angst vor Missverständnissen beziehungsweise falsch verstanden werden?

Es geht. Mein Humor ist abstrus und kurios. Ich will nicht provozieren, oder absichtlich etwas Falsches zu sagen, um vermeintlich lustig zu sein. Das ist überhaupt nicht mein Anliegen.

Wie geht es dir, wenn du deine alten Sachen mit jetziger Perspektive wiederliest?

Bei «Eskimo» oder «Indianer» ist mir erst vor rund vier Jahren bewusst geworden, wie viel Diskriminierung in diesen Bezeichnungen steckt. Wenn ich aus alten Sachen lese, muss ich manchmal nachjustieren. Und bei den Liedern fällts rhythmisch dann auch auf, wenn wir nachträglich beispielsweise «*innen» einbauen.

Hast du manchmal Angst vor der Komfortzone, nach so vielen Jahren? Hast du dich zu gut eingerichtet?

Nach den letzten zwei Jahren, bin ich erstmal froh, dass jetzt wieder alles «normal» ist.

Generell bin ich sehr vielseitig unterwegs: Nach Schwestern Karamasoff kommt jetzt im September eine Dramatisierung eines ägyptischen Autors. Oder jemand fragt, ob ich aus Das doppelte Lottchen ein Stück machen könnte. Für mich ist es ideal, wenn ich einen Mix habe, aus Vorgaben und Vorlagen und ich bin froh, dass ich so mit Dingen konfrontiert werde.

Wenn ich etwas selbst erfinden muss, passiert «scho immer geng chli sgliiche». Das stimmt schon. So was ganz Anderes fällt mir glaub nicht mehr ein und ich habe auch nicht das Bedürfnis, mich so wahnsinnig herauszufordern. (lacht)

Würdest du manchmal gerne ernster genommen werden?

Nein. Im Gegenteil!

Stück